Bärte und Teppiche

Es erstaunt mich bei längerem Nachdenken doch, dass Bärte wieder so in Mode sind, Teppiche hingegen nicht. 

Beide weisen eine gewisse Fuseligkeit auf. Eine Irritation der Liebhaber glatter Oberflächen, die doch in Hinsicht auf aktuell angesagtes Interieur die Nase vorn und das Laminat respektive das Parkett unter sich haben. Es herrscht ja heutzutage geradezu eine Verachtung des Teppichbodens vor, die ich nicht teile. Keinen Teppichboden zu haben gehört ebenso zum guten Ton wie die Mode, möglichst viele Bilder in Holzrahmen nebeneinander an die Wand zu hängen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, aber irgendwie auf den angeblichen zweiten Blick "korrespondieren" (was ja als Tätigkeit, nimmt man das Wort ernst, auch aus der Mode ist). Eine typische Wohnung heutzutage hat also glatte Böden, so viele Bilder auf einem Haufen an der Wand hängen, dass man sie im Grunde gar nicht mehr als Bilder wahrnimmt, sondern als korrespondierendes Gewimmel (man betont heute ja auch den Dialog, und jeder, der diesen nicht führen möchte, ist gleich verdächtig). Die Bilderhängungsart entspricht einer Vorliebe für Volksentscheide, direkte Demokratie, das Subsidaritätsprinzip des Interieur Designs. Bis also auf dieses dialogische Gewimmel, das niemals klassische Kunst zeigt, sondern so eher lustige Sachen, Vögel z.B. oder mal was zufällig vom Urlaub Mitgebrachtes, bis auf diese Fülle also, ist die Wohnung leer. 

Die Leere wiederum korrespondiert negativ reziprok mit der Fülle an Gedanken, die einem angeblich in einer sogestalt entrümpelten Wohnung kommen, deren Räume noch dazu fließend ineinander übergehen. Es fließt also alles, was schon der Grieche wusste, die Gedanken fließen, unbehindert von der Struppigkeit und Schwere der Teppichböden, fließen die Gedanken hin und her, von Raum zu Raum und bleiben höchstens mal an den Bilderrahmen hängen, treten mit diesen in einen lockeren Dia- oder Mehrfachlog:

"Hey, wie gehts euch so?"

"Gut, glauben wir, wissen wir aber nicht, weil wir von unserer Subjektivität als Einzelobjekte schon längst Abschied genommen haben zugunsten des offenen Diskurses. Und du so?"

"Ich fließe auch so hin und her und bleibe, glaube ich, gleich mal am relativ entschlackten Kühlschrank hängen."

Kurzum: Ich mag Teppiche. Wogegen ich bei Bärten eher skeptisch bin. Aber eigentlich gehört beides zusammen. Bärte und Teppiche waren in der gleichen Zeit in Mode. Die Männer saßen bärtig auf Teppichen und hörte Platten, und ihr Denken floss ziemlich wenig in den Räumen herum, sondern heftete sich eher so an sich selbst, quasi am eigenen Bart gedanklich gekratzt, fest. Möchte mal wieder in einer vollgestellten, rumpeligen Wohnung sein, in der es kein Laminat gibt und die Bilder so derart einzeln hängen, dass sie einem die Augen wegfetzen. 

Haha, willkommen bei mir zuhause!

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