Geistesgegenwärtige Unfreundlichkeit
Vorhin klingelte es. Ein kleiner, älterer Herr stand vor der Tür. Er kam von den Zeugen Jehovas. Ich bin Atheistin. Grund genug, um das Gespräch kurz zu machen. Also führte ich tapfer aus, was gegen Gott spricht. Kriege, Leid, die Geschichte. Hatte er natürlich alles schon gehört. Ich versuchte es charmant: Mich zu bekehren habe keinen Sinn, ich würde Gott für eine Projektion halten. Auch dagegen konnte er zahlreiche kluge Bibelsprüche ins Feld führen. Während ich lächelte, dachte ich über den Mann nach. Er sah irgendwie nett aus. Der Arme, dachte ich, erst in einer blöden Sekte sein, und dann musst du auch noch überall klingeln. An zugigen Bahnhöfen stehen und den "Wachturm" verteilen. Dazu sind die noch im Dritten Reich verfolgt worden, die Zeugen Jehovas. Am Ende bekam ich eine Broschüre ausgehändigt: "Gibt es einen Schöpfer, der an uns interessiert ist?". Da hatten wir uns bestimmt schon eine halbe Stunde unterhalten. Er versprach, bald wiederzukommen, was ich mit einem verzweifelten Nicken quittierte. Immerhin habe ich erkannt: Was mir fehlt, ist nicht Gott, sondern eine große Portion geistesgegenwärtige Unfreundlichkeit.
Kommentare
bin seit kurzer Zeit Fan deines Blogs! Chapeau! Und mit Kafka kriegst du mich immer...
Warum ich gerade diesen Beitrag kommentiere? Ich bin kein Missionar und fürchte auch nicht um dein Seelenheil und dennoch hat das "was mir fehlt, ist nicht Gott" mich... erschreckt und berührt.
Sei lieb gegrüßt von
Marc