Der Prager Frühling wird älter - und ich auch

Ich habe heute für 35 Euro Zeitungen gekauft. Daran ist der Prager Frühling Schuld, der vor 40 Jahren, am 21. August 1968, niedergeschlagen wurde. In der Nacht damals hatte dpa gemeldet: “den redaktionen von prager zeitungen wurde [...] von tschechoslowakischen buergern mitgeteilt, dass sowjetische panzer die grenze der cssr überschritten haetten. [...]”. Überall auf der Welt kam es im Anschluss zu Protesten. Die westlichen Regierungen erklärten, die Invasion sei völkerrechtswidrig. Dennoch geschah nicht viel. Bald schon setzten sich die Regierenden wieder mit den Kreml-Leuten zusammen. Horkheimer schrieb, der Westen habe die Freiheit verraten. Man muss ja nicht so weit gehen, aber ganz schön mau hat sich der Westen da schon verhalten. Das macht er öfters. Ich finde das alles höchst bewegend. Und ich schreibe meine Dissertation darüber. Und heute war der 40. Jahrestag des Prager Frühlings! Ganz aufgeregt bin ich aufgewacht. Sofort habe ich den Deutschlandfunk eingeschaltet. Aber sie brachten nur eine Sendung über gefährdete Heilpflanzen. Also fuhr ich zum Bahnhof. Ich packte alle deutschen, tschechischen und französischen Tageszeitungen, derer ich habhaft werden konnte, auf einen riesigen Stapel. Die Frau hinter der Theke sagte: "Na, da haben Sie aber viel zu lesen!". Sie dachte vielleicht, ich verreise mit all dem Kram. Dann setzte ich mich in ein Cafe und blätterte. Manche Zeitungen hatten die Panzer in Prag auf dem Titel. Hier und da ein Vergleich mit Ossetien. Le Monde brachte gar nichts. Liberation auch nicht. Was soll das nun wieder heißen? Darüber denke ich zur gegenwärtigen Stunde noch nach. Fest steht nur: Der Prager Frühling wird älter, und ich auch.

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