Was ich an Silvester tat
Meinem Vater zusehen, wie er im Garten schwitzend versucht,
Raketen zu zünden, die nicht explodieren. Staunen, wenn der Himmel voller
Lichtpunkte ist, während wir wie Götter die ganze Stadt überblicken vom Balkon
der Großmutter. Zigaretten aus
dem Dachfenster rauchen und Liebeskummer haben. Käsefondue mit echtem Käse zubereiten,
der noch gerieben werden muss. Fondue mit Packungskäse zubereiten, der schon
fertig ist. Alles falsch mischen, so dass die Gäste beschwipst werden.
Knoblauch nachkaufen. Käse nachkaufen. Sekt nachkaufen an der Tankstelle.
Raclettepfännchen zerkratzen. Pfännchen schonend behandeln, weil man etwas gelernt hat. Mit Freunden
beim Essen tanzen und sich dabei ein Handtuch auf den Kopf
ziehen. Ein traditionelles chinesisches Orakel legen, bei dem es 64
Zeichen gibt und um Wandlung geht. Nach dem Essen noch ohne Freunde in meine
Stammbar ziehen und ihm zusehen, wie er
eine andere Frau küsst. Im Schnee an Straßenbahngleisen gehen und hinfallen,
das Geräusch beim Aufprall ist exakt und schmerzlich, die Zähne sind heil. Betrunken
den Taxifahrer beschimpfen, so dass er mich nicht
mitnimmt.
Freunde umarmen und sich schwören, dass wir noch in allen Jahren – Mit
Freunden streiten wegen der Frage, auf welche Party wir noch gehen.
Auf die Party gehen, die gut ist, tanzen, das Licht draußen ist blau überm
Schnee, wow, so viel Zeit ist vergangen, wir sind noch jung! Die Zeit eilt, und
ich fühle mich alt. Zigaretten vom Balkon schnipsen. Am Fluss stehen um
Mitternacht mit der Freundin und dann wildfremde Menschen umarmen.
Blätterteigtaschen mit Schafskäse zubereitet bekommen. Mit Leuten ein Bett
teilen, ungeplant. Geplant Betten teilen. Wünsche in kleine selbstbemalte Boxen
legen. Weinen aus Rührung, Erschöpfung und Melancholie. Lachen, weil alles
großartig ist und wird und verheißungsvoll. Allein inmitten küssender Paare
stehen. Selbst zu einem Paar gehören, das sich küsst. Schwanger sein an
Silvester und es noch nicht wissen. Dem Kind beim Wunderkerzenschwenken
zusehen: Es verwandelt sich in eine Fee, und die ältere Fee sieht wie die Stunden
durch die Luft gehen, in ihnen liegt ein Geruch nach früher und nach Zukunft.
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