Mein Fahrrad

Die aus den schlechten Wohnblocks hatten mein Fahrrad geklaut. Es war vor meinem Fenster fest gekettet gewesen. Sah sie mit meinem Fahrrad wegfahren, rannte raus, sie aber waren nur noch Punkte am Horizont. 

Erst einige Stunden später ging ich los, um mein Fahrrad zu suchen. Es war unerträglich heiß. Ich trug kurze, schäbige Hosen. Die Straße war sehr lang. Am Rand der Straße wuchsen schwere alte Bäume. Kaum ein Auto kam in diese Straße. Sie war verwunschen. Kühler wars unter den Bäumen zu gehen, aber nicht sehr viel kühler. Die Straße hatte einen Anfang, in dem ich wohnte: Ehrwürdige, in die Jahre gekommene Häuser. Das Haus, in dem ich lebte, war rot. Der Himmel war irrsinnig blau an diesem Tag. Die Straße hatte ein Ende: Hier wuchsen die neuen riesigen Häuser in den irrsinnig blauen Himmel. Als ich mich näherte, sah ich, dass alles sehr grün war: Bäume, Büsche, Gestrüpp umwucherten den Beton. Es sah aus wie ein Dschungel. Die Häuser sahen darin verloren aus. Es wurde immer noch heißer. 

Eine Gruppe Männer stand an der Straße und sah mich an. Sah mich an, wie mir der Schweiß rann. Sie befühlten meinen Körper mit ihren Blicken, ihre Blicke klebten an meinem ganzen Körper, von oben bis unten, bis ich in eine Einfahrt einbog. Ich fand das Fahrrad sofort. Man konnte es schon durch die Glastür sehen. Es war noch immer ganz himmelblau und unschuldig. In diesen Häusern sind Glastüren niemals abgeschlossen. Die Glastür öffnete sich ohne Widerstand. Mein Fahrrad stand da, in einem zugigen Flur. Der Flur war angenehm kühl. Niemand war zu sehen. Das Fahrrad war nicht abgeschlossen. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ein Schloss zu besorgen, um den neuen Besitz anzuketten. Ich kannte den Anblick des Fahrrads in diesem Flur sehr gut. Es schien beinahe, als wäre das Fahrrad von selbst zurückgekehrt hierher, als müsse ich ein paar tadelnde Worte sprechen mit ihm. 

Ich schob das Fahrrad ein paar Schritte. Das Haus hatte ausgesehen wie immer. Ich war einmal dort aufgewacht, an einem ebenso heißen Morgen. Mit einem schlechten Geschmack im Mund, wie von Blut oder Wein, hatte ich mich umgesehen. Der Mann neben mir hatte im Schlaf ein Babygesicht. Beim Davonschleichen damals vergaß ich das Fahrrad. Erst Tage später hatte ich es abgeholt. 

Ein paar Leute mit Einkaufstüten kamen auf das Haus zu. Jeder von ihnen konnte mein Fahrrad gestohlen haben. Ich bog um die Ecke, raus aus der Einfahrt. Die Männer standen nicht mehr da. Wenn dieser Mann nun unter ihnen gewesen ist? War es der gewesen mit dem kurzen Haar und den blauen Augen? Hatte er sein Haar so kurz geschnitten, wirklich? Hatte er mich so angesehen wie damals? 

Die Sonne brannte, aber schon gab es Schlieren von Milde in ihrem Licht. Es malte Streifen auf mein helles Haar. Das stellte ich mir vor, denn ich sah mich einen Moment lang mit einem begehrlichen Blick von außen. Hart verkrustet meine Haut, auf der der Schweiß getrocknet war. Ich stieg schneller als gewohnt auf das Rad, meine Beine lockerten sich, es gab etwas Kühle, ein wenig Wind, als ich losfuhr.


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