Über Zähne

Meine Großmutter vom Land ließ sich mit fünfzig alle verbleibenden Zähne ziehen. Sie hatte dann ein Gebiss, eines dieser wenig raffinierten, von außen sichtbaren Gestelle mit blendend weißem Kunstzahn. Nie sah ich sie ohne, und ich hatte sie nicht einmal kennengelernt mit ihren eigentlichen Zähnen. Für sie war der Körper etwas, das am besten war, wenn er keinen Ärger machte. Es war dieselbe Oma, die einmal meine Hand auf den Herd legte. Ich zog sie schreiend weg und hatte Verbrennungen. Sie war nicht böse, sie hatte mir die Gefahr des heißen Herdes konkret und am eigenen Körper nahebringen wollen. Auf die Herdplatten legte sie ein Tuch meiner Mutter, das sie zerschnitten hatte. Es war aus Afrika und zeigte leuchtende Muster, wie sie damals, in den Siebzigern, unter Linken und Hippies besonders angesehen waren. Wenn wir bei ihr waren, schenkte sie uns Süßigkeiten, sie waren immer auf dem Bücherregal, in dem Wohin der Stier Europa trug in der Mitte stand, man musste sich recken, überstrecken, um die Riegel aus einem kleinen Korb zu fischen.


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