Tiefe Keller

 Tiefe Keller

Einmal entdeckte ich während meiner langjährigen wissenschaftlichen Arbeit den tiefen Keller, der noch unter dem Keller der Universitätsbibliothek lag. Die Suche nach alten Zeitungsartikeln hatte mich dorthin geführt. Wissend wies mir die Bibliothekarin, nachdem ich mehrere Formulare ausgefüllt hatte, den Weg zu einem abgeschabten Fahrstuhl.

Der Fahrstuhl fuhr tief nach unten.

So tief wie man normalerweise selbst in einer Universitätsbibliothek nicht nach unten fährt.

Dort war, soweit ich mich erinnere, eine Klingel. Ich klingelte, und nach einigen langen Minuten in einem lichtkahlen, langen Flur, öffnete ein älterer Herr die schwere Stahltür. Er sah mich misstrauisch an. Ich schilderte mein Anliegen und wurde eingelassen.

Unten waren Regale mit Papier. Kleine Fahrzeuge fuhren herum. Mit meinem Formular in der Hand wurde ich an einen Tisch gesetzt. Es sah aus wie eine Art Lagerhalle. Nirgends gab es Fenster. Künstliches Licht. Wahrscheinlich waren alle hier drin schon verrückt geworden durch den Mangel an Sonne.

Man brachte mir fünf schwere Bände, in denen tschechische Zeitungen vergangener Jahre zusammengebunden waren. Ich solle, sagte mir der Mann, dort die langen Papierstreifen einlegen. Dann würde man mir die entsprechenden Artikel kopieren und oben bereitlegen.

Der ältere Mann stieg auf das Fahrzeug und fuhr davon.

Ich saß etwa zwei Stunden dort.

Schweiß stieg mir ins Gesicht. Die Vorstellung, man könne mich vergessen haben in diesem tiefen Keller ließ mein Herz rasen. Ich konnte mich kaum auf die mir ohnehin noch immer schwer verständliche Schrift und Sprache konzentrieren. 

Nach Jahren würde eine naseweise neue

Bibliotheksfachangestellte meine skelettierten Überreste finden, gebeugt über ein Buch, das ich nur unzureichend verstand.

Gewissenhaft bekämpfte ich meine Angst. Legte Streifen um Streifen in den Band. Stellte mir vor, wie sehr meine Forschung zu irgendwelchen Wahlen in Tschechien die Welt bereichern würden.

Als ich fertig war, lief ich herum. Niemand zu sehen.

Hallo? (zaghaft).

HALLO?

Nach einer Ewigkeit kam der alte Mann. Er öffnete die schwere Stahltür. Schüchtern verabschiedete ich mich und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben.

Nach zwei Tagen fragte ich, ob in meinem Fach etwas für mich hinterlegt sei. Nach einer Woche fragte ich. Nach zwei. Und ich würde noch heute fragen, wäre mir nicht klar geworden, dass ich niemals kopierte Artikel aus dem tiefen Keller erhalten würde.

Nein, es ging um etwas ganz, ganz anderes.

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