Mumien

Als Kind setzte die Welt aus, wenn wir Mumien spielten.

An einem ganz bestimmten Punkt, auf dem Höhepunkt des Spiels. 

Jeder war einmal die Mumie. Und legte sich auf den Boden, kühl unterm Rücken zu spüren, eingewickelt in Klopapier, nur die Nase frei, darauf eine Decke. Ganz still liegen und warten, wie sie reihum, Dinge auf dich türmen. Mehr Decken. Bücher und Spielzeug. Auf den eigenen Atem hören und warten. Die Schicht auf dir wächst und wächst, und es wird dunkel. Erst ist da noch ein Spalt, durch den du das Zimmerlicht siehst. Dein Raum im Haus ist wie immer, mit dem Teppich, den Tierpostern, dem Schreibtisch, der Zauberwaldtapete. Freunde stehen um dich, sie bedauern dich und begraben dich. Ganz langsam und ohne ein Wort zu sprechen.

Zum Schluss die Matratze, die jemand vom Bett zerrt. Ganz oben drauf. Jetzt drückt es dir schwer auf die Brust. Es ist still, ganz leise und gedämpft und weit weg, und jetzt setzt die Welt aus.

Jetzt kann es sein, es ist keiner mehr da und alle fort, gegangen.

Haben dich hiergelassen, in deinem Mumiengrab.

Und dann der Punkt, den du spürst, wenn alles auf dir lastet, liegt. Du jetzt tief im Innern bist von etwas, so tief, dass es tiefer nicht geht, eingetütet, verhüllt, fast vergessen.

Dann darfst du erwachen: Die Mumie schrie so laut es noch ging, sie richtete sich auf, sie schüttelte alles von sich, sie riss sich das Papier vom Leib, alles flog durch die Luft und die andern rannten, voller Furcht und Ehrfurcht, vor der Mumie davon.


Kommentare

Beliebte Posts