Die kulinarische Moderne in Nordkorea

Nordkorea ist nun endlich in der Moderne angekommen - zumindest kulinarisch. Denn gerade hat das erste italienische Restaurant in der Hauptstadt eröffnet. Dafür wurden eigens Köche zu einem Lehrgang nach Neapel geschickt, nachdem ihnen zuvor einige "Fehler" unterlaufen seien. In der kommunistischen Steinzeit hätte man ja bei solchen Fehlern gleich Sabotage gewittert (die Ankläger der Schauprozesse 1937 in Moskau hatten jedenfalls ein breites Repertoire an Vorwürfen für alle Berufsgruppen parat). Kochkurse statt Kolyma - darauf hätte Stalin auch mal kommen können!
Das Restaurant ist jedenfalls der Gnade des Großen Führes zu verdanken: "General Kim Jong Il wollte, dass auch das Volk Zugang zu weltberühmten Gerichten bekommen sollte", sagte Restaurantchef Kim Sang Soon einer japanischen Zeitung. Und eine Besucherin wird mit den Worten zitiert: "Der Geschmack ist so einzigartig". Die Dame hatte gerade die erste Pizza ihres Lebens gegessen. Früher habe sie von Speisen wie Spaghetti oder Pizza nur durch Bücher und das Fernsehen gehört.
Anna Seghers begann ihren Roman "Transit" mit Reflexionen über die Pizza. Diese sei ein seltsames Ding, man erwarte vom Aussehen her etwas Süßes, und dann sei das Ding salzig. Das war 1944, und Seghers im Exil. Seither hat sich in punkto Gewöhnung an die italienische Küche einiges getan. In meiner Kindheit in einer westdeutschen Kleinstadt gab es in den 80er Jahren zwei Pizzarestaurants, aber noch keinen türkischen Schnellimbiss.
Vielleicht werden also bald die ersten nordkoreanischen Köche in die Türkei geschickt, um Hammel braten zu lernen. Einstweilen wird die eine Hälfte der Nordkoreaner Pizza schlemmen, die andere vermutlich weiter an Lebensmittelengpässen leiden. Immerhin starben noch Ende der 90er Jahre bei einer Hungersnot eine Million Menschen. Wenn also die darbende Bevölkerung den Liebhaber der italinischen Küche Kim demnächst einmal um Essen anbettelt, könnte der einfach sagen: "Ihr habt kein Brot? Dann esst doch Pizza!"

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Anna Seghers wird m. E. völlig überschätzt. So. Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich als studierter Germanist keine literaturwissenschaftliche Diskussion anstoßen könnte!

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