Simone, sie kam und blieb

"Ich arbeite gern bei Nacht, sagte sie.
Ja, meinte Gerbert, es ist dann still."

Simone, diesen Namen hatten in meiner Jugend bodenständige ältere Mädchen und Frauen. Als ich von der de Beauvoir hörte, war ich vielleicht fünfzehn, und ich musste erst lernen, französisch zu schwingen, wenn ich es aussprach: Simone de Beauvoir
Zuerst las ich Sie kam und blieb. Es ist de Beauvoirs erster publizierter Roman. Eine Dreiecksgeschichte, angesiedelt in Paris, im Milieu der Künstler und Intellektuellen. Ein Mann und eine Frau leben zusammen, lieben sich, schreiben. Und dann kommt eine Dritte. Sie nimmt sich, was sie will. 
Natürlich war ich -- und so liest man in diesem Alter, in dem ich das Buch las -- diese verzweifelte Sie, und die Dritte waren all jene Mädchen, denen aber das Begehren der Männer einfach zuzufliegen schien, und die im richtigen Moment ihre Kraft einsetzten, die nicht skrupulös und zaudernd waren wie ich. 
Dass vielleicht de Beauvoirs Beziehung zu Jean-Paul Sartre Pate stand, erfuhr ich später. Feministische Texte und Theorien von de Beauvoir würde ich auch später lesen. Fürs erste zählte nur, dass es eine Welt gab, in der Frauen Intellektuelle sind, in der Frauen kämpfen um das Weiterschreiben bei Nacht neben vollen Aschenbechern -- und womöglich auch um diese wankelmütigen Männer, eine Welt, in der Frauen, die "Simone" heißen, "si:ˈmɔn" ausgesprochen werden. Heute wäre ihr 111. Geburtstag.




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