Schwimmen in Prag
In der Straßenbahn in Prag, die
an der Moldau entlangfuhr, öffnete sich der Blick und verhieß Weite,
Helligkeit, ich war auf dem Weg zum Schwimmbad, jeden zweiten Tag. Sah mich
nach dem Schwimmen selbst im Spiegel, unter einem altmodischen Föhn, mein
Gesicht. Nie habe ich gelernt, das Ticket am Eingang korrekt zu bestellen.
Immer fühlte ich mich schon in der Tram einsam, versuchte ein Lächeln, war mir
nicht sicher, was ich hier tat , auch wenn ich gern ins Wasser
tauchte, ins Becken, das so lang war, dass man nie am andern Ende ankam, so
schien es, das voller Chlor war.
Einmal war ich mit meiner Freundin dort, sie lachte immer, es war Sommer, wir waren im Außenbecken, oben auf den Hügeln mit Gras saßen die Voyeure, auf die sie mich aufmerksam machten. Sie gingen einsam ihrem selbstauferlegten Geschäft nach, das uns abstieß, während Frauen und Mädchen in Badeanzügen voller Freude ins Wasser sprangen, kraftvoll und unausweichlich.
Die Duschen waren grün gekachelt,
glaube ich. Man passierte ein Becken, das einen immun machen sollte gegen
Keime, immer war es furchtbar kalt. Ich war noch jung. An die anderen Menschen
erinnere ich mich nicht, keine einzige Begegnung, kein Gesicht. Das Wasser war
schimmernd, in dem großen, hohen Raum, es war magisch, immer schwamm ich im
gleichen Tempo.
Gegenüber, an der Moldau, soll
ein Strandband gewesen sein, in dem Franz Kafka gerne schwamm. Es wurde die
ganzen Monate, in denen ich in Prag wohnte, renoviert, so dass ich niemals das
alte Strandbad nutzen konnte, um zu schwimmen, sondern immer nur das
Schwimmbad.#
Einundhalb, sagte ich
immer am Tresen, und sie verstanden vielleicht sofort, dass ich 1 ½ Stunden
schwimmen buchen wollte, fragten aber ein oder zwei Mal nach.
Einundhalb,
sagte ich, wiederholte ich, alles andere war zu kompliziert, und keiner
verstand englisch.
Als ich ging, wurde das Strandbad
wieder eröffnet, und manchmal stelle ich mir vor, ich hätte einmal dort
schwimmen können: Ich erinnere mich an das Gefühl, durch Gras zu laufen als
wären es Algen, ich sehe Kafka in einem schwarzen Badeanzug ins Wasser steigen,
aber in einem Fluss habe ich nie gebadet.
Die Fahrten in der Trambahn
verschwimmen zu einer einzigen Fahrt, die letzten Stationen an der Moldau
entlang waren endlos, und wenn ich die Augen schließe, fahre ich noch immer zu
diesem Schwimmbad, und es kommt mir ganz unwahrscheinlich vor, dass ich dort
irgendwann ankam und tatsächlich meine Bahnen schwamm, mich dazu zwang, bei
innerer Aufregung langsam und bedacht zu schwimmen, einzutauchen, zwanzig oder
dreißig Bahnen lang, mich abzustoßen am Beckenrand mit Kraft und auf meinen
Atem zu hören, oder war er gar nicht hörbar?
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