Bangladesch Unlimited

Bangladesch, sagte die Frau.
Bangladesch, sagte der Mann.
Sie liefen hinter mir. Sie lachten.
Bangla-desch, sagte die Frau erneut.
Haha Bangla-desch, sagte der Mann.
Sie wollten mich wahnsinnig machen. Mich zerstören. Ich lief schneller. Sie liefen auch schneller.
Bahahahngladeeesch, sagte die Frau.
Der Mann lachte.
Ich habe keine Ahnung, was sie von mir wollten. Wussten sie, dass ich einmal einen Text geschrieben hatte mit dem Titel "Bangladesch, sagt Mimi"? Es war und ist zugegeben nicht mein Meisterstück. Ein Stück eher unterhaltsamer Literatur, in dem sich junge Menschen aufhalten, die in Kneipen namens "Blue-Inn" herumhängen. Ich schrieb diesen Text als Teil eines "fiktiven Tagebuchs" in meinen blutjungen Zwanzigern.
Bahahangla-desch, sagte der Mann.
Bahahangla-desch, rief die Frau. Mir wurde heiß.
War diese Frau Mimi?
War sie aus meinem alten Text herausgestiegen, um mich an etwas zu erinnern? Wollte sie mir sagen, dass dieser Text womöglich einen literarischen Schatz barg, dessen ich in all den Jahren nicht gewahr geworden bin?
Die beiden bogen ab. Sie lachten noch immer, sie gackerten, wieherten "Bangladesch!"
Ich schwitzte, trotz des Schnees. Zuhause holte ich den Text aus den Windungen meiner Archive.
Er beginnt so:

Hinter meinem neuen Leben fehlt ein Ausrufungszeichen!
Das ist mir vorhin bewusst geworden, als Mimi mich anrief und irgendwas von „Bangladesch“ sagte, und ich zugeben musste, dass ich gestern nach langer Abstinenz wieder ins Blue Inn gefahren bin. Dort hingen die Jungs von der Darts-Spieler-Clique herum und luden mich zu Tequila Orange ein. Muse war betrunken und hatte extremen Schnupfen. Er fragte den ganzen Abend Leute nach Taschentüchern, zuerst diejenigen, die er gut kannte, dann die ihm nur vom Sehen Bekannten und schließlich ihm völlig Fremde. Er tat mir leid, weil die wenigsten Leute Taschentücher dabeihatten und er ständig in die Toilettenräume verschwinden musste, um Klopapier zu benutzen. Muse und ich wohnen in der gleichen Ecke der Stadt. Wir begegnen uns ständig im Supermarkt. Manchmal verstecke ich mich hinter den Regalen, weil ich, normalerweise nicht unter verbaler Verlegenheit leidend, nicht weiß, was ich sagen soll, wenn Muse mit seinem langen dunklen Haar vor mir steht und sich nervös eine Locke hinters Ohr knautscht. Ich wünschte dann, ich könnte ein Wort sagen, dass uns beide erlösen würde.
"Bangladesch" zum Beispiel.

Ich beschloss, diese Geschichte erneut und für immer zu verbannen.
Bangladesch, klingt es in meinem Ohr.
Vielleicht werde ich eines Tages dorthin reisen und Mimi treffen.



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