Worte, die uns bleiben

Heute in einem Text folgendes Wort entdeckt: "Stegreif". Es kam mir falsch geschrieben vor. Aber "Stehgreif" sieht auch falsch aus. Ist auch falsch, denn es heißt "Stegreif". Stegreif kommt nur gemeinsam mit "aus dem" vor. Ich stellte mir daher vor, falls ich mir überhaupt etwas vorstellte, Stegreif müsse aus "steh" und "greif" zusammen gesetzt sein. Mir fiel ferner auf, dass ich nie über dieses Wort nachgedacht hatte. Zumindest nicht in den letzten Jahren. Seit 1989 zumindest nicht mehr. 1989 ist eine schöne Zäsur, die immer passt. War ja auch eine Menge los 1989. Kaum einem historischen Ereignis würde man aber bescheinigen, "aus dem Stegreif" gekommen zu sein. Weil man sich Geschichte immer so vorstellt, zumindest inzwischen, dass bestimmte langatmige Prozesse zusammenfallen, ineinanderwirken, Stränge sich überkreuzen etc. Der Stegreif hingegen ist eine veraltete Bezeichnung für den Steigbügel eines Reiters, zusammengesetzt aus den Bestandteilen „steigen“ und „Reif“. Ein richtig sympathisches Wort, um genau zu sein. Denn aus dem Stegreif heißt übertragen "ohne vom Pferd zu steigen". Das Wort hat also mit "greif" nichts zu tun und ist daher viel unschuldiger und weniger kapitalistisch als ich dachte, und viel unschuldiger als ich allemal.

Kommentare

pbaur hat gesagt…
'Stegreif' - wie lange war das für mich der Reif am Steg zum alten Bootshaus in der Frühe eines Wintermorgens!

Die Wahrheit erfuhr ich erst im Jahre 1989.

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